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Die "Verwaltungsvollmacht" muss weg!

Veröffentlicht von Toni (toni) am May 16 2019
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Der Kreisverband Leipzig der Kleingärtner Westsachsen muss die "Verwaltungsvollmacht" durch Zwischenpachtverträge ersetzen. Hauptbeweggrund hierfür ist der Fakt, dass der Kreisverband wegen der "Verwaltungsvollmacht" direkter Verpächter jeder einzelnen Parzelle in den (noch) zu ihm gehörenden Kleingartenanlagen geworden ist. Hieraus resultiert insbesondere die Pflicht, verlassene oder verwilderte Parzellen auf eigene Kosten zu beräumen. So musste der Kreisverband bereits eine Parzelle in Schkeuditz beräumen lassen, weitere stehen noch aus. Weil das natürlich jede Menge Geld kostet, wird die "Verwaltungsvollmacht" plötzlich völlig unattraktiv. Man will kein direkter Verpächter mehr sein und bevorzugt nun das bislang völlig verpönte Zwischenpachtsystem, wonach der Verband jedem einzelnen Verein die Grundstücke der entsprechenden Kleingartenanlage komplett verpachtet und der Verein selbstständig und in eigenem Namen die einzelnen Parzellen weiterverpachtet.

Statt aber die Chance für eine grundlegende Reform zu nutzen, tiefgründig verlorenes Vertrauen wiederherzustellen und die monoton wiederholte und bei etwas genauerem Hinsehen als bislang gänzlich leer zu erkennende Worthülse, der Verband sei "Dienstleister" für die Mitgliedsvereine, endlich einmal mit Fakten und greifbaren Mehrwerten zu unterlegen, erstellt man einen völlig untragbaren Vertragsentwurf, der für einen Vereinen sogar noch nachteiliger ist, als es die "Verwaltungsvollmacht" jemals war – und das will was heißen!

Wir wurden von mehreren betroffenen Mitgliedsvereinen des Kreisverbandes um Einschätzung zum Vertragsentwurf gebeten. Dies haben wir zum Anlass genommen, diesen Entwurf mit den bestehenden 1993er Zwischenpachtverträgen, mit der "Verwaltungsvollmacht" sowie einem Vertragsentwurf aus dem Jahr 2016, der den zum 31.12.2015 ausgetretenen Vereinen angeboten wurde, zu vergleichen. Wir greifen dem Ergebnis nicht noch mehr vor, sondern lassen die Fakten für sich sprechen.




Aus Sicht eines Vereins positive Aspekte des jeweiligen Vertrages sind grün markiert, negative entsprechend rot. Schwarze markierte Aspekte sind weder von besonderem Vor- noch Nachteil bzw. nicht vergleichbar. Die orangene Markierung wird unter Punkt 6 erklärt.


Verwendete Abkürzungen:

ZwPV = Zwischenpachtvertrag
VV = Verwaltungsvollmacht
KV = Kreisverband


1. Genießt der Verein Kündigungsschutz gemäß Bundeskleingartengesetz?

Gemäß § 10 BKleingG sind Zwischenpachtverträge besonders vor einer Kündigung durch den Verpächter geschützt.

ZwPV 1993, 2016 und 2019: uneingeschränkter Schutz nach BKleingG

VV: Kein Schutz durch BKleingG, Entzug der VV bei "Zuwiderhandlung" oder bei Austritt aus dem KV möglich = willkürliche Kündigungsmöglichkeit


2. Wer hat die Kosten bei Beräumung von Parzellen zu tragen?

ZwPV 1993, 2016 und 2019: Der Verein ist Verpächter der einzelnen Parzelle und dem entsprechend selbst für Beräumungen verantwortlich.

VV: Der KV ist Verpächter der einzelnen Parzelle und hat die Kosten für Beräumungen zu tragen.


3. Wer hat die sonstigen Kosten zu tragen, welche durch den Betrieb bzw. die Verwaltung der Kleingartenanlage bzw. der Pachtsache entstehen?

Der Verpächter hat die Kosten zu tragen.

ZwPV 1993, 2016 und 2019: Der Verein betreibt als Zwischenpächter die KGA in eigenem Namen und trägt dafür die Kosten.

VV: Der Verein ist nur im Namen des KV tätig; es liegt ein Auftragsverhältnis vor. Der KV als verantwortlicher Verpächter hat die Kosten der Auftragsdurchführung zu tragen und diese dem beauftragten Verein zu ersetzen (vgl. § 670 BGB). Bis heute zieht der KV Leipzig seine Mitgliedsvereine jedoch über den Tisch und ersetzt entgegen seiner gesetzlichen Pflicht keine Kosten.


4. Besteht gegenüber dem Kreisverband eine vollumfängliche Auskunftspflicht über die Identität der Unterpächter?

ZwPV 1993 und 2016: Keine Auskunftspflicht.

VV: Der Kreisverband ist Auftraggeber des Vereins und Vertragspartner jedes einzelnen Unterpachtvertrages. Ihm ist deshalb Auskunft zu erteilen.

ZwPV 2019: § 7 (3) besagt: "Auf Anforderung hat der Kleingärtnerverein dem Kreisverband eine Pächterliste mit Auflistung, Name, Vorname, Anschrift sowie eine Kopie des Einzelpachtvertrages zu übergeben."


5. Sind während der Mitgliedschaft im Verband an diesen Verwaltungskosten zu entrichten?

ZwPV 1993 und 2016 sowie VV: Nein.

ZwPV 2019: Es ist ein Zuschlag von 11 % zum Pachtzins vorgesehen.


6. Sind bei Nichtmitgliedschaft im Verband an diesen Verwaltungskosten zu entrichten?

Nach der geltenden Rechtsprechung hat ein Pächter nur dann Verwaltungskosten an den Verpächter abzuführen, wenn es hierzu eine gesonderte vertragliche Vereinbarung existiert. Ansonsten schuldet er nur die Pacht sowie öffentlich-rechtliche Lasten.

ZwPV 1993: Nein.

VV: "Aufwandspauschale mindestens in Höhe des jeweiligen Mitgliedsbeitrages" – dies tritt jedoch nur in Kraft, wenn die VV im Zeitpunkt des Austritts noch besteht = Kündigung der VV durch den Verein vor Austritt => keine Verwaltungskosten

ZwPV 2016: 15,75 € pro Parzelle und Jahr – der Betrag ergibt sich rechnerisch aus dem damaligen Verbandsbeitrag (20,00 €) abzüglich des Landesverbandsbeitrages sowie nur für Verbandsmitglieder anfallender Versicherungsbeiträge

ZwPV 2019: "jährliche Verwaltungspauschale in Höhe des aktuellen Verbandsbeitrages auf die verpachteten Kleingartenparzellen" – es erfolgt kein Abzug von Bestandteilen des Verbandsbeitrages, die nur bei Verbandsmitgliedschaft anfallen (s. ZwPV 2016)


7. Besteht mit dem jeweiligen Vertrag Rechtssicherheit für den Verein?

ZwPV 1993: Ja, denn der Vertrag wurde jahrzehntelang problemlos durchgeführt, die Rechte und Pflichten sind fair verteilt und (nur für Leipziger Grundeigentum interessant:) er steht im Einklang mit den Regelungen des Generalpachtvertrages zwischen Stadt Leipzig und Kreisverband.

VV: Nein, denn die Tatsache, dass der Verein nur Beauftragter des Verbandes ist, führt an zahlreichen Stellen zu fehlerträchtigen Komplikationen. So muss bspw. die Pacht ausdrücklich im Namen des KV erhoben werden. Eingenommene Pachtgelder müssen vom vereinseigenen Vermögen getrennt werden (separates Konto) und dürfen auch in der vereinseigenen Steuererklärung keinen Niederschlag finden. Der Verein kann zudem im Zweifel nicht selbst entscheiden, welche Personen einen Garten in der KGA erhalten. Zudem entzieht der KV die Verwaltungsvollmacht auch schonmal willkürlich.

ZwPV 2016: Nein, denn die Höhe der Verwaltungskosten bei Nichtmitgliedschaft steht im Widerspruch zur entsprechenden Regelung im Generalpachtvertrag mit der Stadt Leipzig. Ansonsten sind die Rechte und Pflichten halbwegs fair verteilt (Ausnahme: Verwaltungskosten bei Nichtmitgliedschaft, denn der KV hat keinen nennenswerten Verwaltungsaufwand aus dem Zwischenpachtvertrag). Kritisch zu betrachten ist die Aufnahme der Verbandssatzung als Teil des Vertrages.

ZwPV 2019: Nein, denn in der Gesamtschau handelt es sich weiterhin bloß um eine Verwaltungsvollmacht, was insbesondere durch die Pflicht zur Verwendung der Unterpachtvertragsformulare des Landesverbandes, welche vom Vorliegen einer Verwaltungsvollmacht ausgehen, zum Ausdruck kommt. Die Höhe der Verwaltungskosten bei Nichtmitgliedschaft verstößt gegen den Generalpachtvertrag mit der Stadt Leipzig. Die sofortige Ablösung der VV durch diesen Vertrag bringt erhebliche Komplikationen in Bezug auf die vorhandenen Unterpachtverträge mit sich. Kritisch zu betrachten ist die Aufnahme der Verbandssatzung als Teil des Vertrages.


8. Verstößt der Vertrag gegen die Regelungen des Generalpachtvertrages zwischen der Stadt Leipzig und dem KV?

Ein Verstoß gegen den Generalpachtvertrag kann zu einer Kündigung führen.

ZwPV 1993: Nein.

VV: Ja. Der Generalpachtvertrag schreibt den Abschluss von Zwischenpachtverträgen mit den einzelnen Vereinen vor und erlaubt keine Verwaltungsvollmachten.

ZwPV 2016 und 2019: Ja. Der Generalpachtvertrag erlaubt nur einen Zuschlag in Höhe von 11 % zum Pachtzins, um den Verwaltungsaufwand des KV abzudecken.


9. Enthält der Vertrag eine Bindung an die Rahmenkleingartenordnung des Landesverbandes Sachsen?

Wir haben diesen Aspekt als neutral eingestuft, weil die Rahmenkleingartenordnung in unseren Augen weder sonderlich positiv noch negativ ist.

ZwPV 1993: Nein.

VV, ZwPV 2016 und 2019: Ja.


10. Enthält der Vertrag eine Bindung an die Kleingartenordnung des KV?

ZwPV 1993: Nein.

VV, ZwPV 2016 und 2019: Ja.


11. Enthält der Vertrag eine Bindung an die Bauordnung des KV?

ZwPV 1993: Nein.

VV, ZwPV 2016 und 2019: Ja.


12. Wird die Ablösung der Verwaltungsvollmacht genügend beachtet?

Insbesondere mit Blick auf Unterpachtverträge, die auf Basis der Verwaltungsvollmacht mit dem KV als Vertragspartner abgeschlossen wurden, ist Rücksicht auf eine schrittweise Umstellung der Unterpachtverträge zu nehmen. Ein Unterpachtvertrag wird durch den Abschluss eines (neuen) Zwischenpachtvertrages nicht geändert. Eine Änderung bedarf der Zustimmung des jeweiligen Kleingärtners. Endet die Verwaltungsvollmacht mit einem Schlag, endet auch die Verwaltung der "verbandseigenen" Unterpachtverträge durch die Vereine sofort.

ZwPV 1993 und VV: Nicht zutreffend.

ZwPV 2016: Ja, schrittweise Ablösung der Verwaltungsvollmacht.

ZwPV 2019: Nein, sofortige Beendigung der Verwaltungsvollmacht.


13. Auf wessen kleingärtnerische Gemeinnützigkeit wirkt sich eine mangelhafte kleingärtnerische Nutzung der KGA aus?

Nach aktueller Ansicht der Landesdirektion Sachsen (Fachaufsichtsbehörde für die kleingärtnerische Gemeinnützigkeit und den lokalen Anerkennungsbehörden übergeordnete Stelle) kann eine mangelhafte kleingärtnerische Nutzung einer Kleingartenanlage ein Aspekt bei der (weiteren) Anerkennung der kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit sein. Dies hätte sich dann aber beim tatsächlichen Betreiber der KGA niederzuschlagen, also beim (letzten) Zwischenpächter. Im Falle einer Verwaltungsvollmacht ist der Verein kein Zwischenpächter.

ZwPV 1993, 2016 und 2019: Der Verein ist Zwischenpächter; seine Gemeinnützigkeit wäre betroffen.

VV: Der Verband ist Zwischenpächter; dessen Gemeinnützigkeit wäre betroffen.


Fazit

Es sollte jedem Betrachter klar werden, dass der aktuelle Entwurf eines Zwischenpachtvertrages für jeden Verein inakzeptabel ist. Selbst die "Verwaltungsvollmacht", welche unserer Auffassung nach bereits ein mehr als einseitiger Knebelvertrag ist – insbesondere wenn man bedenkt, dass die Vereine Kosten tragen, die eigentlich vom Verband zu finanzieren wären (bis vor kurzem traf das auch für Beräumungen zu!), ist im Vergleich zum Vertragsentwurf weniger nachteilig. Und das muss man sich erstmal auf der Zunge zergehen lassen. Der neue Zwischenpachtvertrag ist in der Gesamtschau der wiederum überaus einseitigen Regelungen die "Verwaltungsvollmacht" – nur mit neuer Überschrift.

Ganz besonders für diejenigen Vereine, die aktuell mit einer "Verwaltungsvollmacht" "gesegnet" sind und mit Leerstand und/oder anstehenden Beräumungen konfrontiert sind, kommt eine Unterschrift unter dem 2019er Entwurf überhaupt nicht in Frage. Denn während bei der "Verwaltungsvollmacht" der Verband die Kosten für Leerstand und Beräumungen zu tragen hat, fallen diese einem zwischenpachtenden Verein zur Last.

(am)

Zuletzt geändert am: May 16 2019 um 21:39:07

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