Blog

Gemeinnützigkeit ohne kleingärtnerische Nutzung?

Veröffentlicht von Toni (toni) am Jan 26 2018
Blog >>
"Gemeinnützigkeitsbegehung", "Ortstermin für die Gemeinnützigkeitsprüfung" oder "Der Verein verliert seine Gemeinnützigkeit, wenn keine ausreichende kleingärtnerische Nutzung gegeben ist." – das oder so etwas Ähnliches hat bestimmt jeder Vereinsvorstand oder gar jeder Kleingärtner schon einmal gehört. Wir zeigen auf, warum das absoluter Nonsens ist.

Vielerorts wird bis heute ein solcher Zusammenhang zwischen der kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit eines Vereins und der tatsächlichen Bewirtschaftung einer Kleingartenanlage propagiert. Im Folgenden zeigen wir auf, dass die kleingärtnerische Gemeinnützigkeit aber nicht von der kleingärtnerischen Nutzung abhängt. Gleichzeitig warnen wir davor, wegen Nachstehendem die kleingärtnerische Nutzung zu vernachlässigen. Ist diese nicht ausreichend gegeben, kann die Kleingartenanlage auch bei Vorhandensein/Fortbestehen der kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit gefährdet sein!
 
Der besseren Lesbarkeit halber lassen wir im weiteren Text das Adjektiv "kleingärtnerische" sowohl bei der Gemeinnützigkeit wie auch der Nutzung zumeist weg.
 
Die Gemeinnützigkeit ist in § 2 des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) geregelt. Dort werden die Anerkennungsvoraussetzungen aufgezählt – und zwar abschließend:
 
"Eine Kleingärtnerorganisation wird von der zuständigen Landesbehörde als gemeinnützig anerkannt, wenn sie im Vereinsregister eingetragen ist, sich der regelmäßigen Prüfung der Geschäftsführung unterwirft und wenn die Satzung bestimmt, daß
1. die Organisation ausschließlich oder überwiegend die Förderung des Kleingartenwesens sowie die fachliche Betreuung ihrer Mitglieder bezweckt,
2. erzielte Einnahmen kleingärtnerischen Zwecken zugeführt werden und
3. bei der Auflösung der Organisation deren Vermögen für kleingärtnerische Zwecke verwendet wird."
 
Bereits aus dem Gesetzestext lässt sich leicht erkennen, dass auf die Bewirtschaftung einer Kleingartenanlage überhaupt nicht abgestellt wird. Ausschlaggebend sind die Zwecke sowie andere Vorgaben, die sich der Verein in seiner Satzung auferlegt hat, nämlich die Förderung des Kleingartenwesens, die fachliche Betreuung der Mitglieder und die Verwendung der Einnahmen sowie eines etwaigen Restvermögens bei Auflösung für kleingärtnerische Zwecke. Unterwirft sich der Verein dann noch der regelmäßigen Prüfung seiner Geschäftsführung durch die Anerkennungsbehörde (durch niemanden sonst!), sind alle Anerkennungsvoraussetzungen gegeben.
 
Zur Erinnerung: beim BKleingG handelt es sich um ein Bundesgesetz. Es steht an oberster Stelle; weder die Länder, noch die Landkreise oder Kommunen können davon abweichen.
 
Nicht überraschend entschied das Sächsische Oberverwaltungsgericht in 2012 (Urteil vom 27.09.2012, Az. 1 A 899/10, s. hier), dass die kleingärtnerische Gemeinnützigkeit (weiterhin) anzuerkennen ist, wenn die Voraussetzungen gemäß § 2 BKleingG erfüllt sind. Völlig unerheblich ist dagegen, wie eine ggf. vorhandene Kleingartenanlage bewirtschaftet wird (Rdnr. 23):
 
"Die Überwachung der ordnungsgemäßen Nutzung und Bewirtschaftung der Parzellen, die auch der Einordnung einer Anlage als Kleingartenanlage i. S. d. Bundeskleingartengesetzes zu Grunde liegt, ist von dieser Gemeinnützigkeitsaufsicht nicht umfasst […]"

Gleichzeitig ergibt sich aus der gerichtlichen Entscheidung, dass – wie auch immer bezeichnete – Kontrollbegehungen einer Kleingartenanlage ebenso in keinerlei Beziehung zur kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit stehen. Besonders häufig begegneten uns gegensätzliche Behauptungen von Kreis- und Regionalverbänden der Kleingärtner, aber auch beim Landesverband Sachsen der Kleingärtner selbst. Die Verbände haben aber mit der Gemeinnützigkeitsaufsicht nichts zu tun, auch wenn gern anderslautende Informationen verteilt werden:


Bild 1: Der Regionalverband Muldental der Kleingärtner gibt vor, Gemeinnützigkeitsprüfungen durchzuführen. Dafür seien auch "Ortstermine" notwendig. (Quelle: Screenshot http://www.rvmtl.de, Abruf über die Waybackmachine https://web.archive.org/web/*/www.rvmtl.de, Abruf vom 25.01.2018)

Bild 2: Selbst der Landesverband Sachsen der Kleingärtner verbreitet die falsche Behauptung, die Kreis-/Regionalverbände seien "Sachwalter der kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit". (Quelle: Screenshot http://lsk-kleingarten.de/page/rechtsecke/a-bis-f/austritt-aus-dem-kreisverband/, Abruf vom 26.01.2018)


Mit Nachdruck sei an dieser Stelle deshalb darauf hingewiesen, dass nur die örtlich zuständige Anerkennungsbehörde (Kommune, Landratsamt) befugt ist, die Gemeinnützigkeitsaufsicht durchzuführen. Die Verbände sind darin nicht involviert, auch bei den regelmäßigen Rechenschaftsberichten an die Anerkennungsbehörde nicht (s. auch weiter unten im "Praxisbeispiel")! Weil es aber eine so schöne und wichtige "Aufgabe" mit behördlichem Anschein und damit eine vermeintliche Daseinsberechtigung für die Verbände ist, bezeichnen sich nicht wenige als "Sachwalter der kleingärtnerischen Gemeinnützigkeit" – das ist aber schlichtweg purer Nonsens.

Der Richterspruch des OVG leuchtet ein, auch mit Blick auf solche als kleingärtnerisch gemeinnützig anerkannte Vereine, die gar keine Kleingartenanlage betreiben – allen voran die unzähligen Verbände auf regionaler, Landes- und Bundesebene, aber auch die immer zahlreicheren als eingetragene Vereine organisierten Aktionsbündnisse und Interessengemeinschaften zur Förderung des Kleingartenwesens.
 
Zwar erging das Urteil auf Landesebene, jedoch eben durch ein Oberverwaltungsgericht und damit in der letzten Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht. Damit ist der Richterspruch auch bundesweit anwendbar, schließlich behandelt es ein Bundesgesetz, das nicht von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich ausgelegt werden kann – nicht, dass es dafür bei § 2 BKleingG überhaupt einen Spielraum geben würde. Die einzelnen Bundesländer können lediglich über Verwaltungsvorschriften die Verfahrensweise zur Umsetzung des Bundesgesetzes festlegen.
 
Wenn nun noch mal jemand kommt und behauptet, eine vorgeblich mangelhafte kleingärtnerische Nutzung würde die Gemeinnützigkeit gefährden, hat der geneigte Leser jetzt das notwendige Handwerkszeug, diese falsche Ansicht zu widerlegen. Sofern man kein Interesse an Nachweisen aus einem praktischen Beispiel zur Thematik hat, kann man deshalb nun getrost die Lektüre dieses Beitrags beenden.

Vorstehend geschilderte Zusammenhänge können nicht nur aus dem oben benannten Urteil abgeleitet werden; sie wurden sogar praktisch umgesetzt. Wir lassen hier nun (stark verkürzte) Auszüge aus einem Schriftverkehr zum Thema (größtenteils) einfach für sich sprechen:


Bild 3: Auszug aus einem "Tagesprotokoll" zu einer Anlagenbegehung - unnötigerweise an die Anerkennungsbehörde übermittelt.


Bild 4: Antwort des Vereins auf das "Tagesprotokoll" (Auszug)
 
Bild 5: weiteres Schreiben des Verbandes zur Anlagenbegehung (Auszug)
 
Bild 6: Antwort der Anerkennungsbehörde auf eine Anfrage des Vereins zum Thema (Auszug)


Bild 7: Ankündigung einer weiteren Begehung (Auszug)

Bild 8: Die Anerkennungsbehörde benötigt die "Tagesprotokolle" zu den Anlagebegehungen nicht (Auszug).

(am)

Zuletzt geändert am: Jan 26 2018 um 11:29:30

Zurück

Kommentare

Vielen Dank von Gast am Jan 29 2018 um 16:02:34
Vielen Dank für diese hilfreiche Darlegung. Diese entspricht auch unserem Rechtsempfinden als Vorstand eines hamurger Kleingartenvereins. Auch hier werden durch den Verband gerne die Fakten verdreht. Die Gemeinnützigkeitsprüfung ist im Bundeskleingartengesetz abschließend geregelt. Es wird aber gerne versucht, mit solchen falschen Behauptungen Druck auszuüben. Wir haben uns davon nicht beeindrucken lassen. Es ist danach nichts passiert und wird auch nichts passieren.

Kommentar hinzufügen