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Wer ist für den Winterdienst auf angrenzenden Wegen zuständig?

Veröffentlicht von Toni (toni) am Jan 22 2022
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Instinktiv würde ein geneigter Leser die Frage nach der Zuständigkeit für den Winterdienst auf öffentlichen Wegen oder Straßen, an denen die Kleingartenanlage anliegt, ohne großes Zögern so beantworten: "Natürlich ist der Verein vor Ort verantwortlich, die Wege zu räumen und zu streuen."
 
Angesichts der enormen personellen oder gar finanziellen Kosten, die eine ordnungsgemäße Erfüllung der Räum- und Streupflicht mit sich bringt, lohnt sich aber ein genauer Blick auf die Zusammenhänge. Wir veranschaulichen dies an einem Beispiel aus der Praxis, geben dabei aber nur unsere Interpretation der einschlägigen Regeln sowie die von uns erzielten Ergebnisse wieder. Der vorliegende Artikel stellt hingegen keine Rechtsberatung dar. Wir empfehlen jedem Vereinsvorstand, der meint, Anhaltspunkte dafür zu erkennen, dass sein Verein auch nicht räum- und streupflichtig ist, ausdrücklich, sich anwaltlichen Rat einzuholen.
 
Die Ausgangssituation
Eine Kleingartenanlage in Schkeuditz bei Leipzig liegt auf zwei kompletten Flurstücken. Beide Flurstücke liegen an einer öffentlichen Straße mit ebenfalls öffentlichem Gehweg an. Verschärfend kommt hinzu, dass sich dort eine Bushaltestelle befindet, die auch eine Schule bedient, die gegenüber der Kleingartenanlage liegt.
Der Kreisverband Leipzig der Kleingärtner Westsachsen e. V. verpachtet diese Kleingartenanlage zu großen Teilen an den Verein vor Ort mittels Zwischenpachtvertrag. Warum nur große Teile? Der Verband ließ mittels einer zwischenzeitlich abgeschlossenen Verwaltungsvollmacht, die einige Jahre Bestand hatte, einzelne Parzellen in seinem Namen verpachten. Der Zwischenpachtvertrag zwischen dem Verein und dem Kreisverband endete bezüglich dieser Parzellen (entsprechend Urteil des Landgerichts Leipzig vom 25.01.2018, Az. 04 S 236/17).
 
Winterliche Verhältnisse
Im Februar 2021 kam es zu recht starken Schneefällen. Der Gehweg wurde weder geräumt, noch gestreut. Ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt Schkeuditz stellte dies fest, woraufhin die Stadt dem Verein eine schriftliche Verwarnung mit Verwarnungsgeld zustellte. Darin nahm die Stadt an, der Verein sei Nutzer der beiden Flurstücke im Sinne der Gehwegreinigungssatzung der Stadt Schkeuditz.
 
Die Gehwegreinigungssatzung…
… überträgt die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht den Straßenanliegern. Diesen Personenkreis definiert die Satzung so:
"Straßenanlieger im Sinne dieser Satzung sind die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die an einer Straße liegen oder von ihr eine Zufahrt oder einen Zugang haben."
Morgens ab 7 Uhr (werktags) bzw. 9 Uhr (Sonn-/Feiertage) bis abends 20 Uhr ist unverzüglich zu räumen und zu streuen, wenn Schnee fällt oder Eisglätte auftritt. Darüber hinaus sind grundsätzlich Schmutz, Unrat, Unkraut und Laub zu entfernen.
 
Das Ergebnis
Der Verein teilte der Stadt mit, nicht Straßenanlieger im Sinne der Gehwegreinigungssatzung zu sein. Denn er ist nicht Besitzer eines entsprechenden Grundstücks. Dadurch, dass der Kreisverband einzelne Parzellen (die auf beiden betroffenen Flurstücken liegen) nicht an den Verein zwischenverpachtet hat, steht kein komplettes Flurstück und damit kein vollständiges Grundstück im Besitz des Vereins. Der Verein ist letztlich einer von vielen Unterpächtern, wenngleich sein Anteil am Grundstück vergleichsweise groß ist. Am Ergebnis ändert das jedoch nichts: nicht der Verein ist Besitzer eines ganzen Grundstücks, sondern der Kreisverband. Entsprechend ist der Verband Straßenanlieger im Sinne der Gehwegreinigungssatzung und damit verpflichtet, die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht zu erfüllen.
 
Wie es weiter ging
Die Stadt wandte sich mit einer neuerlichen Verwarnung entsprechend an den Kreisverband als tatsächlich Verantwortlichen. Der Kreisverband verlangte in der Folge vom Verein eine "schriftliche Bestätigung", dass der Verein zukünftig die Reinigungs-, Räum- und Streupflicht für den Verband übernimmt. Wie selbstverständlich erwartete der Verband, dass der Verein diese ihm fremden Pflichten gänzlich ohne Aufwandsentschädigung oder gar Vergütung übernimmt. Für den Fall, dass sich der Verein von dieser herzerwärmend vorgetragenen Bitte nicht erweichen ließe, drohte der Verband gleich an, eine Firma zu beauftragen und die "damit anfallenden Kosten auf Grundlage § 5 (5) Bundeskleingartengesetz (BKleingG) dem Verein als Pächter in Rechnung" zu stellen.
Daraufhin teilte der Verein mit, das freundliche Angebot dankend abzulehnen. Zugleich verwies der Verein darauf, dass die Kosten für Räum- und Streupflichten nicht vom § 5 (5) BKleingG erfasst sind und deshalb hieraus kein entsprechender Ersatz gefordert werden kann.
Der Kreisverband teilte etwas später mit, eine Firma beauftragt zu haben und die Kosten auf den Verein "umwälzen" zu wollen.
 
Der § 5 (5) BKleingG …
… lautet so:
"Der Verpächter kann vom Pächter Erstattung der öffentlich-rechtlichen Lasten verlangen, die auf dem Kleingartengrundstück ruhen. Absatz 4 Satz 2 ist entsprechend anzuwenden. Der Pächter ist berechtigt, den Erstattungsbetrag einer einmalig erhobenen Abgabe in Teilleistungen, höchstens in fünf Jahresleistungen, zu entrichten."
Der Praktiker-Kommentar zum Bundeskleingartengesetz (Mainczyk/Nessler, 12. Auflage, 2019, rehm) führt hierzu aus:
"Zu den öffentlich-rechtlichen Lasten, die auf dem Kleingartengrundstück ruhen, gehören die Grundsteuer, Beiträge (Anschluss- und Straßenausbaubeiträge) nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder und grundstücksbezogene Gebühren."
 
Schon hieraus kann gefolgert werden, dass der § 5 (5) BKleingG nur geldliche Lasten umfasst. Würde die Gehwegreinigungssatzung die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren anordnen, könnte man hier eine geldliche Last erkennen und dann einer Erstattungspflicht aus § 5 (5) BKleingG zustimmen. Doch gerade das ist vorliegend nicht gegeben. Satzungsgemäß handelt es sich bei der Reinigungs-, Räum- und Streupflicht um eine persönlich zu erbringende Leistung des Grundstücksbesitzers, also des Kreisverbandes. Dass sich der Kreisverband hier nun einer Firma bedient und sich dadurch die ihn treffende Pflicht in Geld bemessen lässt, erzeugt noch lange keine öffentliche Last im Sinne des § 5 (5) BKleinG.
 
Übertragung der Pflichten?
Aus dem Mietrecht ist der Grundsatz bekannt, dass der Vermieter Räum- und Streupflichten auf den Mieter übertragen kann – dies jedoch nicht muss. Es kann in einem Mietvertrag Entsprechendes vereinbart werden. Passiert dies nicht, verbleiben die Pflichten beim Vermieter. Bei Pachtverträgen verhält es sich unseres Wissens nach genauso. Der Verpächter kann derartige Anliegerpflichten übertragen, muss es aber nicht.
Vorliegend hat es der Kreisverband als Verpächter versäumt, die Reinigungs-, Räum- und Streupflichten im Zwischenpachtvertrag an den Verein zu übertragen.
 
Das Fazit
Der Verein wird der vom Kreisverband angekündigten Forderung auf Ersatz der Kosten für die beauftragte Firma widersprechen und sie nicht begleichen. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels hat der Verband auch keinen Ersatz gefordert.
 
Ein anderer Verein aus Markkleeberg im Süden Leipzigs, der ebenfalls einen "teilweisen" Zwischenpachtvertrag mit dem Kreisverband hat, ließ sich vom örtlich zuständigen Rechtsamt bestätigen, nicht für die Reinigungspflichten verantwortlich zu sein, weil weder die dortige Gehwegreinigungssatzung, noch der Zwischenpachtvertrag diese Pflichten auf den Verein übertragen.
 
Jeder Verein, dessen Kleingartenanlage an Straßen/Wegen anliegt, die aufgrund der örtlichen kommunalen Vorschriften zu räumen bzw. zu reinigen sind, sollte genau prüfen, ob er selbst verpflichtet ist. Weil kommunale Satzungen sich häufig an der Frage nach der Eigentümer- und/oder Besitzerstellung an betroffenen Grundstücken orientieren, ist dies der erste Ansatzpunkt. Die entsprechende Frage muss daher lauten: "Ist der Verein Besitzer eines kompletten (betroffenen) Grundstücks, hat er vielleicht nur Teilflächen gepachtet oder ist er z. B. aufgrund einer Verwaltungsvollmacht gar nur im Namen des Verbandes dort tätig?" Anschließend wäre noch zu prüfen, ob der Verein sich in irgendeiner Art vertraglich verpflichtet hat, Reinigungs-/Räum-/Streupflichten zu übernehmen.
 
Ergeben sich bei einer ersten eigenen Prüfung Anhaltspunkte dafür, dass der eigene Verein nicht zuständig ist, sollte der Verein sich auch nicht davor scheuen, das Geld für eine anwaltliche Beratung zu investieren. Natürlich sollte man hier nicht gerade einen Anwalt wählen, der für den Verband tätig ist, denn ansonsten läuft man u. M. n. Gefahr, eine unvollständige oder gar falsche Auskunft zu erhalten.

 
(am)

Zuletzt geändert am: Jan 22 2022 um 07:00:00

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