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Regionalverband Muldental - Ende in Sicht?

Veröffentlicht von Toni (toni) am Mar 02 2021
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Mit dem Urteil des Landgerichts Leipzig vom 23.02.2021 (Az. 08 S 48/17) könnte das sich schon über Jahre hinziehende Trauerspiel in Wurzen ein Ende finden. Könnte – denn dafür wäre es erforderlich, dass der Regionalverband "Muldental" der Kleingärtner e. V. seinen sinnlosen Feldzug gegen die drei Wurzener Vereine "Am Doktorteich", "Muldenaue" und "Am Windmühlenweg" endlich beendet. Das Urteil kann hier gelesen und heruntergeladen werden, das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Grimma hier.
 
Es stellt sich für uns die Frage, wie viele Bruchlandungen vor Gericht es beim Regionalverband braucht, bis man dort zur Erkenntnis gelangt, dass man schlicht und einfach nicht im Recht ist. Denn bereits das Verfahren gegen "Am Doktorteich" verlor der Verband vollumfänglich.
 
Doch das neuerliche Urteil des Landgerichts Leipzig befasst sich auf seinen insgesamt 19 Seiten ausführlich mit sämtlichen der u. M. n. hanebüchenen, teils vor antidemokratischen Denkweisen strotzenden Gründen, die der Regionalverband für seine zahllosen Kündigungen des mit dem Kleingartenverein "Muldenaue" bestehenden Zwischenpachtvertrages (fälschlicherweise mit "Verwaltungsvertrag" überschrieben) herangezogen hatte.
 
Wir befassen uns im Folgenden ausführlicher mit dem Urteil und beantworten häufige Fragen, denen wir im Rahmen des Wurzener Dramas begegnet sind. Beachten Sie bitte, dass der komplette Artikel unsere Meinung wiedergibt. Gerade in Bezug auf juristische Feinheiten raten wir, einen Anwalt zu Hilfe zu ziehen.

Klicken Sie auf eine Frage, um den jeweiligen Text auszuklappen.

1. Was forderte der Regionalverband vom Verein?
Der Regionalverband verlangte die Herausgabe sämtlicher Pachtunterlagen, also Verträge, Bauunterlagen, Leitungspläne etc., daneben die Beräumung der gesamten Kleingartenanlage mit Ausnahme der noch verpachteten Parzellen. De facto wollte der Regionalverband u. M. n. also die Kleingartenanlage "Muldenaue" abwickeln. Denn die Beräumung der nicht verpachteten Teilflächen hätte auch die Entfernung der Gemeinschaftsanlagen wie etwa der Wege oder auch des Vereinsheims bedeutet. Per gesetzlicher Definition ist ein Kleingarten ohne Gemeinschaftsanlagen aber kein Kleingarten. Für die noch verpachteten Kleingärten wäre dann über kurz oder lang auch zeitnah Schluss gewesen. Auch wäre ein Kleingarten in dieser dann nicht mehr vorhandenen Anlage nicht mehr attraktiv. Denn ohne den Verein könnten die Parzellen weder mit Wasser noch mit Strom versorgt werden – der Verband kann das nicht leisten. Dadurch wäre steigender Leerstand vorprogrammiert gewesen. Bereits mit dieser Forderung nach Beräumung großer Teile einer Kleingartenanlage verstieß der Regionalverband gegen seine eigene Satzung, in der er sich in § 2 (2) zum "Erhalt der vorhandenen und die Schaffung neuer Kleingärten und Anlagen" verpflichtet hat.
 

2. Wieso forderte der Regionalverband das alles von den Vereinen?
Über die Gründe lässt sich nur mutmaßen. Die Tatsache, dass sämtliche vorgeschobenen Kündigungsgründe rechtlich nicht haltbar sind, lässt erahnen, dass der Regionalverband eigentlich andere Beweggründe hatte. Besonders auffällig ist dies bei den jüngsten Kündigungen. Hier versuchte der Verband zu konstruieren, dass die Vereine mit der Zahlung der Pacht in Verzug wären. Dem erteilte das Gericht beinahe süffisant eine Abfuhr, weil eine vom Verband gesetzte "Nachfrist zur Zahlung noch gar nicht abgelaufen" war, als der Verband wegen Zahlungsverzugs bereits kündigte. Es wird deutlich, dass der Regionalverband händeringend nach Kündigungsgründen suchte und einen regelrechten Tunnelblick entwickelte, dabei aber offenbar jegliche Sachlichkeit verlor. Naheliegend erscheint uns, dass es diese drei (und andere) Vereine waren, die der Verselbstständigung des Verbandes die Stirn zeigten. Bereits aus den vom Regionalverband aufgestellten "Leitlinien des Kleingartenwesens im Muldental bis zum Jahr 2025" lässt sich erahnen, wo der Verbandsvorstand hinwill: mehr Befugnisse zur Geschäftsstelle des Verbandes verlagern. Liest man dieses Dokument und andere Veröffentlichungen des Verbandes, wird auch klar warum: insbesondere der Verbandsvorsitzende scheint ein großes Interesse daran zu haben, seine eigene (An)Stellung und Bezahlung mit vermeintlich wichtigen Aufgaben zu untermauern. Für uns ist das leider eine "alte Leier", denn wir begegnen solchen Tendenzen vermehrt. Die Verbände versuchen, über solche vermeintlichen Dienstleistungsangebote die Vereine an den Verband zu ketten und so die Einnahmen aus den Verbandsbeiträgen zu sichern. Hier kollidieren letztlich die persönlichen Interessen der häufig in Personalunion als (angestellter) Geschäftsführer und (gewählter) Vorstand agierenden Verbandsfunktionäre mit der ureigenen Pflicht des Verbandes, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten. Tatsächliche, nachvollziehbare Handlungsgründe lassen sich indes nicht finden. Denn außer durch die vom Verband selbst losgelassene Kündigungsflut waren nie Kleingärten in Gefahr, weder durch die Stadt Wurzen noch durch die drei Vereine.
 

3. Was hat es mit der geforderten Herausgabe von Pachtunterlagen auf sich?
Der Regionalverband war bzw. ist offenbar der Meinung, jeder Verein müsse zu jeder Zeit sämtliche Unterlagen an den Verband herausgeben. Dieser Forderung erteilte das Landgericht aber eine klare Abfuhr: "Dieser Vertrag enthält keine ausdrückliche Regelung, wonach Unterlagen, die die Weiterverpachtung durch den Beklagten [Verein] betreffen – wie die streitgegenständlichen – an den Kläger [Verband] herauszugeben sind." und weiter: "Aus der unter § 4 (1) des Vertrages geregelten Übernahme der Pachtfläche zur eigenverantwortlichen Verwaltung ergibt sich, dass der Beklagte [Verein] die zur Verwaltung erforderlichen Unterlagen selbst benötigt."
 

4. Worum handelt es sich bei dem "Konkurrenzverband"?
Der Regionalverband kündigte den Pachtvertrag mit dem Verein u. a., weil dieser einen "Konkurrenzverband" mitgegründet hatte. Bezug genommen wurde hier auf den Stadtverband Wurzen der Gartenfreunde e.V. . Diesbezüglich macht das Urteil kurzen Prozess. Demnach war es gerade der Regionalverband selbst, der die Vereine ausgeschlossen hatte, sodass es diesen Vereinen auf jeden Fall freistand, sich anderweitig zu organisieren. Außerdem, so das Urteil weiter, sind die "Grundsätze des Verbots einer wirtschaftlichen Konkurrenztätigkeit auf gemeinnützige Vereine […] ohnehin nicht anwendbar". Außerdem hat die Verbandsmitgliedschaft rein gar nichts mit dem Pachtvertrag zu tun. Hier werden das antidemokratische Denken und das verquere Selbstverständnis des Verbandsvorstandes u. M. n. klar. Die Vereinigungsfreiheit ist ein Grundrecht in Deutschland. Dieses wollte der Regionalverband den drei Vereinen absprechen. Wir fragen uns außerdem, wie man überhaupt annehmen könne, dass bei gemeinnützigen Tätigkeiten und Zwecken überhaupt so etwas wie Konkurrenz existieren könne. Denn sowohl der Regionalverband als auch der Stadtverband verfolgen schließlich den gemeinnützigen Zweck der Förderung der Kleingärtnerei. Umso mehr Organisationen sich dafür einsetzen, umso besser – nicht aber offenbar in der fabelhaften Welt des Verbandsvorstandes.
 

5. Welche Rolle spielte eine Strafanzeige gegen ein Vorstandsmitglied des Regionalverbandes?
Mehrere Vorstände von Mitgliedsvereinen des Regionalverbandes hatten nach unserer Kenntnis im Jahr 2015 eine Strafanzeige wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsführung des Regionalverbandes erstattet. Hierzu sagt das Urteil knapp, aber dennoch deutlich, dass die Staatsanwaltschaft beim Verband "zahlreiche Unregelmäßigkeiten und Unplausibilitäten" sowie "Pflichtverletzungen" festgestellt hat und dass es das Recht eines jeden Mitglieds ist, vermutete Fehler strafrechtlich prüfen zu lassen, wenn eine anderweitige Klärung nicht möglich ist. Das Gericht geht sogar noch einen Schritt weiter und beschreibt dies sogar als Obliegenheit, also Pflicht, eines jeden Mitglieds! Das sollten sich die Vorstände der vielen immer untätig gebliebenen Mitgliedsvereine nicht nur im Regionalverband Muldental mal hinter die Ohren schreiben!
 

6. Sind die drei Vereine insolvent?
Gebetsmühlenartig verbreitete der Regionalverband immer und immer wieder die Behauptung, die drei Vereine müssten Insolvenz anmelden, weil sie sich die Beräumung der Kleingartenanlagen nicht leisten könnten. Scheinbar fehlen dem Verbandsvorstand hierzu einerseits jedwede Grundlagenkenntnisse im Insolvenzrecht. Andererseits sind die Verbandsfunktionäre wohl inzwischen soweit von der täglichen Praxis in Gartenvereinen entfernt, dass nur noch mit weltfremden Annahmen hantiert wird. Zur Beräumung enthält das Urteil einerseits die klare Wiedergabe der Rechtmäßigkeit der Praxis in vielen Vereinen: es liegt grundsätzlich in der Entscheidung des Vereins, ob er sich erst einmal um eine Neuverpachtung einer ungeräumten Parzelle bemüht oder auf gütlichem Wege versucht, mit dem bisherigen Pächter eine Räumung zu erreichen. Andererseits – und das ist viel wichtiger – bringt das Urteil zum Ausdruck, dass der Verein gar nicht verpflichtet ist, irgendwelche Beräumungskosten zu übernehmen. Dem Regionalverband gelang es jedenfalls nicht einmal, für einen konkreten Einzelfall eine Anspruchsgrundlage für die Beräumungsforderung zu benennen. Letztlich steht dieser Teil des Urteils auch mit dem Urteil des Landgerichts vom 25.01.2018 (Az. 04 S 236/17) im Einklang, wonach ein Verband als Verpächter selbst zur Beräumung verpflichtet ist.
 

7. Ist mein Pachtvertrag in Gefahr?
Nein. Zwar hat der Regionalverband in einem Schreiben vom 22.02.2021 an zahlreiche Pächter behauptet, dass der mit dem Verein abgeschlossene Unterpachtvertrag unwirksam sei. Auch verlangte er in diesem Schreiben, dass die Kleingartenanlage bis zum 26.02.2021 zu beräumen sei – inklusive der Parzelle des jeweils angeschriebenen Pächters. Der Zeitpunkt des Schreibens verblüfft, denn der Regionalverband wusste, dass am 23.02.2021 das Urteil gesprochen werden würde. Es ist schon ein Kunststück, sich innerhalb kürzester Zeit so offensichtlich selbst zu widerlegen. Jedenfalls muss kein betroffener Pächter Angst haben. Denn weder wurde der Pachtvertrag zwischen Verein und Verband beendet, noch ist der jeweils eigene Pachtvertrag mit dem Verein unwirksam. Im Gegenteil sogar hat bereits die erste Instanz, das Amtsgericht Grimma, ausdrücklich dargelegt, dass der Verein Zwischenpächter ist. Aufgrund dessen kann er auch Verträge in eigenem Namen abschließen.
 
 

8. Welche Rolle spielt die Stadt Wurzen?
Als Grundstückseigentümerin steht die Stadt Wurzen hinter ihren Kleingärtnern. Um die drei Vereine vor dem Regionalverband zu schützen und es den betroffenen Kleingärtnern zu ermöglichen, unverändert ihre Parzellen weiter zu nutzen, kündigte die Stadt den mit dem Verband bestehenden Generalpachtvertrag zum Teil. Das Oberlandesgericht Dresden hatte darüber zu entscheiden, ob diese Kündigung wirksam war. Es urteilte, dass eine Teilkündigung eines Pachtvertrages nicht zulässig ist, erkannte aber, dass die Stadt aus „falsch verstandener Rücksichtnahme“ gegenüber dem Regionalverband nur eine Kündigung über die Flächen der drei betroffenen Vereine ausgesprochen hatte. Der vorsitzende Richter nahm kein Blatt vor den Mund und empfahl dem Vorsitzenden des Verbandes eindringlich, von seinem hohen Ross herabzusteigen und sein Ego herunterzuschrauben. Denn würde der Regionalverband weiter so agieren wie bisher, könnten die Gründe der Teilkündigung die Stadt zur kompletten Kündigung des Generalpachtvertrages berechtigen.
Nicht nur vor dem Oberlandesgericht wiederholte der Oberbürgermeister der Stadt Wurzen, Jörg Röglin, dass es das Ziel der Stadt war und ist, den seit vielen Jahren laufenden Streit zwischen dem Regionalverband und den drei Vereinen zu einem für die Kleingärtner gütlichen Ende zu führen. Deshalb erfolgte auch nur eine Teilkündigung. Es ist anzunehmen, dass die Stadt den Wink mit dem Zaunpfahl des vorsitzenden Richters verstanden hat.
 

9. Wer zahlt für das alles?
Der Regionalverband hat nun bereits gegen zwei der drei Vereine durchweg verloren. Er trägt sämtliche Kosten beider Verfahren, also nicht nur die eigenen Anwaltskosten, sondern auch die des jeweils verklagten Vereins, daneben auch die Gerichtskosten und z. B. Fahrtkostenerstattungen. Entsprechend gängiger Prozesskostenrechner dürfte für jedes der beiden Verfahren eine hohe vierstellige Summe an Kosten angefallen sein, in Summe also bereits fünfstellig.
 

10. Wie geht es nun weiter?
Das hängt entscheidend davon ab, ob der Verbandsvorstand endlich zur Besinnung kommt. Bereits kurz nach der Urteilsverkündung unterbreitete der Anwalt der drei Vereine dem Regionalverband ein neuerliches Gesprächsangebot. Auch wenn der Verband es liebend gern anders sehen würde, so bestehen die Zwischenpachtverträge mit den drei Vereinen bis heute unverändert und ungekündigt fort. Kein Kleingärtner in den drei Kleingartenanlagen muss also Angst um die eigene Parzelle haben. Denn eine Kündigung ist nur nach den engen Regeln des Bundeskleingartengesetzes möglich. Und wie das vorliegende Urteil eindrücklich beweist, ist der Regionalverband relativ unbeholfen bei der Anwendung der gesetzlichen Erfordernisse und Vorschriften. Außerdem liegen keine Kündigungsgründe auf Ebene der Zwischenpachtverträge vor. Die sauberste Lösung wäre es letztlich, wenn die Flächen der drei Vereine aus dem derzeit noch bestehenden Generalpachtvertrag zwischen Stadt Wurzen und Verband herausgelöst werden würden, damit die Stadt – erneut – direkte Pachtverträge mit diesen Vereinen abschließen kann. Dass die Stadt dies tun würde, hat sie bereits bewiesen und mehrfach öffentlich kundgetan. Auch diese Zwischenpachtverträge wären dann im Übrigen durch das Bundeskleingartengesetz geschützt.
Wegen seines Gebarens wird sich der Vorstand des Regionalverbandes aber früher oder später nicht nur den eigenen Mitgliedsvereinen gegenüber verantworten müssen. Auch andere, viel weitreichendere Konsequenzen rücken immer näher.
 

 
 
(am)

 

Zuletzt geändert am: Mar 02 2021 um 20:49:25

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